Doch es war ja nicht alles gut, bevor Donald Trump kam.

Sarah Pines, Die Zeit:

Diesen Leuten mit Verachtung zu begegnen, würde auch bedeuten, einem Wunder­glauben nachzuhängen, wonach in dem Moment alles wieder gut wäre in den USA, da der vermeintliche Verantwortliche für die misslichen amerikanischen Verhältnisse verschwände, abgewählt würde. Doch würde es im Falle einer Wahlniederlage Trumps tatsächlich Reformen geben?

Das politische Programm des demokratischen Trump-Herausforderers Joe Biden und der Vizekandidatin Kamala Harris wird in der heißen Wahlkampfphase derzeit kaum diskutiert. Eine Hauptstrategie Bidens war es, sich vergleichsweise still zu verhalten, um Trumps vergebliche Suche nach einer zündenden Wahl­kampf­strategie umso deutlicher werden zu lassen: Mit jedem neuen Anwurf gegen Biden (und dessen Sohn Hunter), jeder neuen Versprechung auf das wundersame Verschwinden der Corona-Krise, jeder neuen Lüge durch den Amtsinhaber wirkte dessen Gegenkandidat automatisch präsidentieller und kompetenter. Biden musste kaum mehr tun, als vor einer zweiten Trump-Amtszeit zu warnen.

Besser nicht zu genau hinschauen bei Biden
Die Website joebiden.com verzeichnet in der Rubrik „Joe’s Vision“ fast wie im rhetorischen Stil seiner kurzzeitigen innerparteilichen Konkurrentin Elizabeth Warren einen „Biden Plan“ für fast alles und fast jeden. Dutzende verschiedene Vorhaben und Adressaten dieser Vorhaben werden dort aufgeführt. Die Trump-Kampagne hingegen hat darauf verzichtet, ein neues Wahlprogramm zu erstellen; sie hat das von 2016 einfach wieder aufgelegt, so als habe der Präsident es nicht nötig, sich neue Ziele zu setzen (was zugleich ein unfreiwilliges Eingeständnis bedeutet, die Ziele nicht erreicht zu haben).

Man darf nun nicht zu tief in die einzelnen Programmpunkte der Biden-Kampagne eintauchen. Unter „Tackle the Climate Emergency“ etwa wird zwar der auch nur sehr theoretisch formulierte „Green New Deal“ der Parteilinken Alexandra Ocasio-Cortez als „Rahmensetzung“ für die Umwelt­politik einer Regierung Bidens genannt. Doch schon die von Biden genannte Frist, bis wann die USA klima- und also treibhausgasneutral sein sollen, ist ernüchternd: 2050. Das gleiche Ziel hat die Bundesregierung für Deutschland formuliert, und Beifall für Übereifer bei der Weltrettung hat sie dafür von kaum einem Klimaschützer bekommen. Auch wenn Biden diese Aussage selbst­verständlich vermeidet, ist er doch weit­gehend ein Kandidat des Status quo ante. Alles soll wieder so werden wie vor Donald Trump. Nur ohne Barack Obama. Doch es war ja nicht alles gut, bevor Donald Trump kam.

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