Alles unsere Jungs, die da umgekommen sind! Unsere Jungs! Das muss man sich mal vorstellen! … Sie haben noch keinen Menschen gesehen, der über und über mit Verbrennungen bedeckt ist … Kein Gesicht, keine Augen, kein Körper … Nur gelbe Kruste — Lymphflüssigkeit. Kein Schrei, sondern ein einziges Brüllen unter dieser Kruste hervor …

Wir haben dort vom Hass gelebt, der Hass hat uns geholfen zu überleben. Schuldgefühl? Das kam erst hier, als ich alles aus der Distanz betrachtete. In Afghanistan war für mich alles gerechtfertigt, aber hier, zu Hause, packte mich das Entsetzen, als ich an das kleine Mädchen dachte, das ohne Arme und Beine im Sand lag … wie eine kaputte Puppe … Und wir haben uns gewundert, dass sie uns nicht mögen! Sie lagen bei uns im Lazarett. Du reichst einer Frau die Medizin, und sie hebt nicht mal den Blick. Sie lächelt dich nie an. Das hat gekränkt. Da, in Afghanistan, hier nicht. Hier bist du wieder ein normaler Mensch mit normalen Gefühlen …

Ω Ω Ω

Wir haben nicht alle gerettet, die wir hätten retten können — das ist das Schlimme: retten können — aber mir fehlte das nötige Medikament, retten können — aber der Verwundete wurde zu spät gebracht (die Sanitäter waren schlecht ausgebildete Soldaten, die gerade mal so einen Verband anlegen konnten), retten können — ich bekam den betrunkenen Chirurgen nicht wach. Ich hätte retten können … Wir durften nicht mal die Wahrheit in den Todesbenachrichtigungen an die Angehörigen schreiben. Sie waren auf Minen getreten … Vom Menschen blieb oft nur ein halber Eimer Fleisch übrig. Wir aber schrieben: beim Verkehrsunfall umgekommen … in eine Schlucht gefallen … Lebensmittelvergiftung … Erst als sie in die Tausende gingen, durften wir den Angehörigen die Wahrheit schreiben.

—Swetlana Alexijewitsch, »Zinkjungen: Afghanistan und die Folgen«, (Berlin: Hanser, 2014), 44-45.

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